Andis Almanach


Seitdem ich von zu Hause weg bin, schreibe ich. Diese Auseinandersetzung mit mir, meinen Gefühlen und Gedanken, hat mich nicht selten über so manche schwere Stunde gerettet. 


Was sollte ich auch das Leben der anderen lesen? War es nicht weitaus interessanter, mehr über sein eigenes zu erfahren? 

Auf meinen Reisen als Musiker, als Kutscher, als Dichter in Holland... überall war ich meistens auf mich alleine gestellt. 
Die Lösung meiner Probleme, meiner Ängste und Sorgen lag immer in mir. Eine mögliche Therapie hätte mich mit all dem um mich herum "funktionieren" lassen. Aber das wollte ich ja nicht, funktionieren. Also therapierte ich mich selbst. In Liedern, in Gedichten und unzähligen Tagebuchaufzeichnungen. 

Da meine Liebe zum Norden Englands mich zwar ein paar mal dahin führte, aber ich nie (zum Glück, sonst gäbe es nicht meine Familie) dort Fuß fassen konnte, beschloss ich sehr früh, zumindest die Einträge in kleine Heftchen in englischer Sprache zu verfassen. Diese unzähligen Seiten voller Ideen und Begebenheiten erheben deshalb nicht immer den Anspruch auf grammatikalische und idiomatische Korrektheit, trieben mich aber ungemein an, meine Geschichte der Nachwelt zu hinterlassen. 

Hunderte von kleinen Heften schlummern in ein paar Umzugskartons, die ich über 30 Jahre von Bleibe zu Bleibe mitnahm und wie einen Augapfel hütete. 

Jetzt ist es an der Zeit, "mein Werk" zu sichten, zu interpretieren und auch in den Kernaussagen der Öffentlichkeit zu unterbreiten. 
Zunächst werde ich mich aber nicht an die Chronologie der Ereignisse halten. 


Viel spaß beim Lesen, Lachen und Wundern mit Andis Almanach. 



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Hier handelt es sich um einen Eintrag nach einem Auftritt im "Dubliners Irish Pub" in Bayreuth, am 12.09.1998. Hier war ich immer gleich für 2 Nächte gebucht, Freitag und Samstag.

Der Eigentümer, Ralf N. war ein Geschäftsmann, durch und durch. Er hatte ein großes Haus, eine hübsche Frau, ein tolles Auto und viel, viel Geld.
Ich kann mich noch genau an die Zeit erinnern. Meine erste lange stimmliche Krise hatte ich, zum Glück, hinter mir. 

Endlich, nach Jahren der wichtigen! Irrfahrten, als Kutscher auf Baltrum, einer ausgiebigen italienischen Reise, alleine im VW Camper, als ambitionierter Dichter unterwegs in Holland, als Kellner in einer Nobelpizza in Coburg und unzähligen Jobs und Wohnungen in Bamberg und Umgebung, war ich nun wieder bereit, meinen Lebensunterhalt mit dem Singen in Kneipen zu bestreiten!

Zurück zu Ralf N. Er war einer der wenigen Kneipiers, der in der Pause mit einem Trinkgeldglas um eine Spende für die Musik bat, diese aber dann auch für sich behielt!!
Das konnte mich allerdings nicht wirklich erschüttern. Vieles hatte ich schon Anfang der 90er als Musiker erlebt, und schließlich machte ich ja eine Art Ausbildung bei meinen englischen und irischen Kollegen, die schon viel länger als musizierende Vagabunden umhergezogen und mit allen Wassern gewaschen waren.

Ja, es war auch im Rückblick eine sehr prägende Zeit für mich. Wer war schon in der Lage, seine Leben so zu gestalten, dass er bis tief in die Nacht seiner Leidenschaft als Sänger nachgehen konnte und am Tag stundenlang mit Gleichgesinnten in Cafes über den Sinn und die Schönheit des Lebens zu philosophieren!?!

Diese Freiheit, blauäugig oder nicht, gab mir sehr viel, ließ mich träumen und machte mich stark, ohne mich jemals verändern zu müssen. Ich konnte mir treu bleiben. Ein wirklich großes Geschenk.

*Der Text oben lässt sich nun in ein paar Worten paraphrasieren:

Ein sehr schwieriger Auftritt. Ein paar Engländer saßen an einem Tisch im Publikum.


(Klatschen verboten! Der Franke braucht sehr viel Bier dafür, und wenn er genug hat, ist es ihm egal, was um ihn herum passiert. Und hier, ganz nebenbei, gibt es erhebliche Unterschiede:

Der Oberfranke ist eher der "pseudo-intellektuelle" Zuhörer. Er weiß, dass ihm es von Coburg, über Bamberg bis Bayreuth an rein gar nichts fehlt. Er braucht auch niemanden, der ihm etwas geben könnte. 

Der Mittelfranke setzt dem Ober mit einer extrem bierernsten Laune die Krone auf!

Allein der Unterfranke weiß die Darbietung des Musikers zu würdigen. Das drückt er in fast schon "menschlichen" Worten, mit einem Gläschen Wein in der Hand , aus. Er ist sich auch nicht zu fein, seine Hände zum Klatschen zu bewegen, wenn ihm danach ist. Er ist, nach langjähriger Erfahrung bei Auftritten auf Geburtstagen und Hochzeiten der freundlichste Franke!)


Dan, einer Engländer im Publikum, sprach mir Talent zu. Ich sollte hier nicht auftreten, stattdessen lieber mal nach London kommen.
Nach jedem Song stand er auf, richtete seinen Blick auf das restliche Publikum und forderte dies lautstark zum Klatschen auf ! 
"Hey! Er hat den ganzen Abend für euch gespielt!"

Der Eintrag geht noch über ein paar Seiten...
Es war eine sehr lehrreiche Nacht und ich weiß noch, wie gut es mir tat, so unterstüzt zu werden, und vor allem von einem Menschen aus meinem Herzensland.

REPRISE-> A HARD DAYS NIGHT & THE DAY AFTER unten zu lesen...


A Hard Days Night & The Day After

 

Ich wusste noch vage, dass wir nach dem Auftritt irgendwo weiter tranken...

Dieser Ganove Ralf N. hatte mich doch tatsächlich mit einem Scheck bezahlt. Also war ich nach 2 Nächten in Bayreuth ohne Kohle! Das Trinkgeld hatte er ja selbst einbehalten.
(In diesen Tagen kam es auch schon  mal vor, dass ich gerade noch Geld für ein Zugticket zum nächsten Auftritt zusammenkratzte. Und anscheinend war dies auch das erste Wochenende im Dubliner in Bayreuth für mich, da ich das mit dem Scheck und Trinkgeld nicht wusste!)

Wir (Chris, Dan, Gina und ich) sind also nach dem Auftritt noch 20 km von Bayreuth entfernt in Ginas Wohnung und haben gegessen und getrunken. Daran kann ich mich nicht mehr genau erinnern!
Am nächsten Morgen hat Gina uns alle zum Bahnhof nach Bayreuth gebracht. Ich hatte keine Zigaretten, eine handfeste Bronchitis ( wir waren letzte Nacht alle bei offenem Fenster eingeschlafen)

und nur noch 12 Stunden bis zum nächsten Auftritt!